Woran merkt man, dass es vorbei ist?
So richtig klar wurde es mir, als der Sommer begann.
Etwas war anders. Etwas fehlte. Dieses Sommergefühl. Leichtigkeit. Die
unbändige Lust, dich zu erleben in all deiner Rauheit, die doch so sanft ist,
wenn sich die Nacht über uns legt, wenn die Sonne im Fluss versinkt, die
Motoren der Autos, Bahnen und Baumaschinen leiser werden und die Stimmen erstmals die Oberhand
gewinnen im Großstadtchor.
Diese Abende, Nächte auch, waren es, die ich so sehr
liebte. Nie fühlte ich mich wacher, lebenshungriger,
trauriger und glücklicher, als mit deinem heißen Atem auf meiner Haut in einer
Sommernacht.
Vorbei.
Ich bin müde. Dein Atem raubt mir die Luft, dein Puls
ist nicht mehr der meine. Deine Silhouette in der Morgendämmerung – schwere
Fotobände ließen sich mit meinen Versuchen füllen, sie für die Ewigkeit
festzuhalten. Und jetzt? Du bist immer noch schön. Wahrscheinlich.
Woran merkt man, dass es vorbei ist?
Wie du aussiehst, wenn du Sonntagnachmittag aufwachst.
Wie du riechst, morgens schon und abends erst. Und deine Leute – alle total hip
und unglaublich nervig. Früher wollte ich auch so sein. Hip, nicht nervig. Mein
Kleiderschrank ist Schweden – außen wie innen, Hauptstadt Downtown Los Angeles.
Aber eigentlich ist ja doch alles Bangladesch. Und eigentlich ist das auch
völlig egal. Ich will nicht mehr mitmachen bei deinem Schönheitswettbewerb. Du
sagst es nicht, aber deine Ansprüche sind gestiegen. Freunde von Freunden haben es mir erzählt.
Ist ja auch ok. Die Zeiten ändern sich. Die Weltzeituhr bleibt nicht stehen.
Und doch kann und will ich mit deiner Lebensgeschwindigkeit nicht mehr
mithalten. Ich will alles, was du nicht bist.
Woran merkt man, dass es vorbei ist?
Ich gehe durch die Straßen, höre unser Lied und fühle:
Nichts. Keine wohlige Melancholie. Nicht die kitschige Freude, genau hierher zu
gehören, zu dir. Früher konnte ich nie lange von dir getrennt sein. Du warst Zuhause,
du warst Leben. Teil von dir zu sein, hieß bewundert werden, beneidet auch. Ich
prahlte mit dir vor den Anderen, trug dich wie ein Schmuckstück um den Hals,
auf das es Identität stifte.
Und jetzt?
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Deine Offenheit
schnürt mir die Kehle zu. Deine Leichtigkeit drückt auf meinen Brustkorb wie
ein zu fest sitzender Bügel-BH unter einem zu engen Kleid aus meinen
schwedisch-amerikanischen Kleiderschrank. Der Weg zu dir ist beschwerlich
geworden. So als ruderte ich bergauf gegen den Strom. Ich rede nicht mehr oft
über dich. Wäge ab. „Ja, ist schon schön, aber…“.
Ist es vorbei?
Ich weiß es nicht. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Das
verbindet, sagen die Leute. Du hast mir die beste Zeit meines Lebens geschenkt und
ich weiß, dass ich nicht ohne dich leben kann.
Vielleicht brauchen wir eine Auszeit.
Vielleicht muss ich dich vermissen, um dich wieder
lieben zu lernen.
Vielleicht können wir Freunde bleiben.
Ich komm‘ dich besuchen.
Berlin.